Geschwisterstreit – Fluch und Segen zugleich

Tochter: „Gib das sofort wieder her, sonst sag ich es Mama!“, Sohn: „Nein, das gehört mir. Dann sag es ihr doch, blöde Ziege!“, Tochter zu Mama: „Paul hat mir mein Spielzeug weggenommen!“, Sohn: „Stimmt gar nicht, ich hab zuerst damit gespielt!“ Geschwisterstreit – wer kennt das nicht?

Wo Geschwister miteinander aufwachsen, sind Konflikte unausweichlich. Konflikte sind notwendig und dienen unter anderem dazu, eigene Bedürfnisse ausdrücken zu lernen und gleichzeitig die Fähigkeit zu entwickeln, die Bedürfnisse des Gegenübers ebenfalls wahrzunehmen und entsprechend im eigenen Verhalten zu berücksichtigen. Als Eltern sind wir oft geneigt, Geschwisterstreit möglichst zügig zu beenden. Wir entscheiden schnell und nehmen damit die Schiedsrichterposition ein. Die Lautstärke, Intensität und Häufigkeit derartiger Auseinandersetzungen nervt uns einfach. Wir würden uns wünschen, dass unsere Kinder ein harmonisches Miteinander pflegen. Allerdings werden Konflikte noch komplizierter, wenn ein Elternteil Partei ergreift. Beispielsweise nehmen wir den Gegenstand des Streites, also das Spielzeug für ein paar Stunden weg, sodass keiner damit spielen kann. Oder wir appellieren an die Vernunft des älteren Kindes, dem „armen kleinen Geschwisterkind“ doch sein Spielzeug zu lassen. Oder wir versuchen, das jüngere Kind mit etwas anderem, „mindestens genauso Tollem“ abzulenken. Das funktioniert in der Regel – bis zum nächsten Geschwisterstreit fünf Minuten später.


Die Rolle des Vermittlers bei Geschwisterstreit nach Thomas Gordon

Als Gordon-Familientrainerin empfehle ich in Anlehnung an Thomas Gordon (Bestsellerautor u.a. „Familienkonferenz“) eine Vorgehensweise, die Eltern von der Schiedsrichterposition befreit. Sie nehmen stattdessen die Rolle eines Vermittlers bzw. Moderators ein. So fördern sie die Verantwortung der Kinder, ihre Konflikte untereinander bzw. miteinander zu lösen. Es ist ohnehin nicht möglich, als unbeteiligte/r Dritte/r wirkungsvoll Probleme zu lösen, die zwei andere Personen gerade miteinander haben. Mit diesem Vorgehen stärken Eltern ihre Kinder bei der Entwicklung von Problemlösefähigkeiten, einer Kompetenz, die in jedem Lebensalter hilfreich ist. Diese Art der Konfliktlösung ist nicht nur für Eltern entspannter, weil sie nur noch dann eingreifen müssen, wenn Grenzen, beispielsweise Gewalt in Form von Hauen, Beißen oder Treten überschritten werden. Sie führt  darüber hinaus häufig zu einer wirklichen und dauerhaften Verbesserung der Geschwisterbeziehung.


6 Schritte 

Folgende sechs Schritte für eine wirksame Vermittlung bei Geschwisterstreitigkeiten können hilfreich sein:
1.) Halten Sie die Kinder an, miteinander zu sprechen, anstatt auf dem Umweg über Sie.
2.) Lassen Sie die Kinder hierfür einander gegenübersitzen, anstatt sich Ihnen zuzusenden.
3.) Beginnen Sie mit sogenannten Türöffnerfragen, z.B.: „Was ist hier das Problem?“ anstatt einer sondierenden Frage wie: „Warum hast du das getan?“
4.) Hören Sie den anfänglich oft intensiven Empfindungen aktiv zu und koppeln Sie diese Empfindungen der Kinder rück, z.B.: „Das macht dich wirklich wütend.“ anstatt urteilend „Das solltest du nicht sagen!“.
5.) Senden Sie Ich-Botschaften, wenn ein Kind von Ihnen erwartet, dass Sie das Problem lösen, die Lösung durchsetzen oder durch Strafe absichern, z.B.: „Ich werde nicht entscheiden, wer das Spielzeug jetzt bekommt, weil ich überzeugt bin, dass ihr das selbst lösen könnt.“
6.) Lassen Sie die Kinder ihre eigene Lösung finden; bieten Sie selbst nur bei sehr kleinen Kindern Lösungsvorschläge an. Die Erfahrung zeigt, dass wir Eltern Kinder sehr oft unterschätzen in ihrer Kompetenz und Kreativität, wie Konflikte gelöst werden können.

Ich freue mich immer, wenn ich beispielsweise im Rahmen von Inhouse-Schulungen in Kindergärten erfahre, dass die Einrichtung diese Vorgehensweise zur Konfliktlösung nach Thomas Gordon bei den Kindern fördert. Ab einem Alter von drei Jahren ist es in der Regel möglich, Kinder dazu anzuhalten, eigene Lösungen für Probleme zu finden. Dennoch kann es zeitweise erforderlich sein, dass die Eltern in einen Konflikt eingreifen, weil gerade die Trotzphase im Alter von ca. 3-5 Jahren auch für Kinder emotional sehr herausfordernd ist, u.a. durch den häufig frustrierenden Zwiespalt zwischen Wollen und Können.

Falls Sie Unterstützung benötigen, um die Auseinandersetzungen Ihrer Kinder besser begleiten zu können, vereinbaren Sie gern einen Termin mit mir, entweder als Einzel- oder als Familiensitzung.

Nach oben scrollen