+++++ Teil2 zum Blogbeitrag vom 30.09.2023
Während es im ersten Teil um Symptome und Diagnose des AD(H)S ging, befasst sich der heutige Beitrag mit Ursachen, Behandlungsmethoden und Tipps für Eltern.
Ursachen von AD(H)S
Trotz zahlreicher und umfangreicher wissenschaftlicher Untersuchungen und Studien sind die Ursachen für das Auftreten eines AD(H)S noch immer fraglich. Während einige Forscher von genetischen Faktoren ausgehen und von einer Vererbung in ca. 60-70% der Fälle sprechen, sehen andere Wissenschaftler biologische Aspekte als Auslöser. Bestimmte Neurotransmitter, allen voran Dopamin und Noradrenalin, stehen an den erforderlichen Stellen im Gehirn nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Die Folge ist eine eingeschränkte Signalübertragung im Frontalhirn, das für die Verhaltensregulierung zuständig ist, einhergehend mit einer schlechteren Filterung von Reizen. Neurophysiologisch führt dies über eine mangelnde Hemmung von Impulsen zu ungenügender Selbstregulation. Weitere wissenschaftliche Studien geben Hinweise darauf, dass eine Verbindung zwischen der Schilddrüsenfunktion und dem Auftreten eines AD(H)S bestehen könnte: So scheint das Risiko des Auftretens eines AD(H)S bei Neugeborenen mit niedrigen Werten des Thyroidea-stimulierenden Hormons (TSH) erhöht zu sein.
Behandlungsmethoden für AD(H)S
Genau so umstritten wie die Ursachen sind die Behandlungsmethoden. Knapp die Hälfte (44%) der Kinder bekommt Psychostimulanzien aus der Gruppe der Methylphenidate (z.B. Ritalin, Medikinet, Concerta) verschrieben. Der amphetaminartige Wirkstoff ist dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG – Anlage III) unterstellt. Diese Medikamente können zwar einerseits die Symptome eindämmen, können andererseits aber erhebliche Nebenwirkungen haben, angefangen von Magen-Darm-Beschwerden über Schlafstörungen und Angststörungen bis hin zu Stimmungsschwankungen, Halluzinationen und Persönlichkeitsveränderungen. Auch eine psychische Abhängigkeit ist möglich. Ein wichtiger Hinweis für den Urlaub: Bei Auslandsreisen muss man sich zwingend vorab über die im Zielland geltenden Regelungen informieren, damit man sich nicht wegen eines Verstoßes gegen das BtMG strafbar macht. Im Schengen-Raum beispielsweise benötigt man eine vom behandelnden Facharzt ausgefüllte Bescheinigung für die Mitnahme der Medikation (medizinische Indikation für die Einnahme von Methylphenidat).
Begleitend zur medikamentösen Behandlung sollte IMMER eine psychotherapeutische Behandlung stattfinden, zusätzlich haben sich Ergotherapie und Elternberatung als hilfreich erwiesen.
Neben der medikamentösen Behandlung gibt es weitere Optionen, um die Symptome abzumildern. Verhaltensauffälligkeiten sind beeinflussbar und Sie als Eltern können Ihrem Kind dabei helfen.
Tipps für Eltern
- Stellen Sie klare Regeln auf und kontrollieren Sie deren Einhaltung
- Formulieren Sie kurze, knappe Anweisungen auf Augenhöhe Ihres Kindes und lassen Sie Gesagtes wiederholen, um sicherzugehen, dass Sie verstanden wurden
- Beobachten Sie, ob bestimmte Lebensmittel die Symptome verstärken (z.B. Zucker, Nitrate)
- Sorgen Sie für ausreichend Bewegung im Alltag Ihres Kindes
- Reduzieren Sie Umgebungs-Reize, z.B. kein Fernsehen beim Essen
- Binden Sie Ihr Kind aktiv in den Familienalltag mit all seinen Verpflichtungen ein (z.B. Abendessen vorbereiten)
- Bieten Sie Ihrem Kind Strukturierungshilfen für seinen (schulischen) Alltag an
- Zerlegen Sie größere Aufgaben in kleine, gut zu bewältigende Teilaufgaben und kontrollieren Sie die Erledigung engmaschig
- Beantragen Sie ggf. einen Nachteilsausgleich in der Schule, um Extrazeit in Prüfungen zu erhalten
- Beobachten Sie aufmerksam die aktuelle Leistungsfähigkeit Ihres Kindes, um Unter- oder Überforderung zu vermeiden
- Betonen Sie im Alltag immer wieder die Stärken Ihres Kindes, statt einseitig auf die Krankheitssymptome zu fokussieren (Stärkung des Selbstwertgefühls)
- Achten Sie gut auf sich und Ihre Belastungsgrenzen. Gönnen Sie sich Auszeiten
Was mir noch sehr wichtig ist: Nicht jedes Kind, das etwas temperamentvoller ist und nicht immer in gesellschaftliche Normen passt oder so „funktioniert“, wie Erwachsene das erwarten, hat das Etikett „AD(H)S“ verdient!
Wenn Sie – gern auch gemeinsam mit Ihrem Kind – einen Beratungstermin bei mir wünschen, kontaktieren Sie mich gern.
Abschließend für Sie als Eltern noch eine kleine Checkliste:
- In welchem Alter wurde bei Ihrem Kind AD(H)S diagnostiziert?
- Wer hat die Diagnose gestellt (Kinderarzt, Beratungsstelle, Spezialambulanz, …)?
- Nimmt Ihr Kind Medikamente (Ritalin/Methylphenidat)? Wenn ja, gab es eine ausführliche Aufklärung bzgl. der Medikamenteneinnahme?
- Gibt es eine begleitende Behandlung, wenn ja, welche (z.B. Verhaltenstherapie, Elterncoaching, …)?
- Erfolgen regelmäßige medizinische Check ups (Blut, etc.)?