Neulich hat mich mein Sohn auf etwas aufmerksam gemacht: Wir steigen aus der S-Bahn und er beobachtet die Mutter eines ca. fünfjährigen Kindes. Sie ist mit ihrem Handy beschäftigt, das Kind läuft neben ihr. Beide jedoch auf der Straße, wenn auch einer wenig Befahrenen. Mein Sohn ist entsetzt, als sich ein Auto nähert und sagt „Wie wäre es mal, lieber aufs Kind als aufs Handy zu schauen?!“. Das hat mich echt beeindruckt.
Handy statt Gespräch
Mir ist schon häufiger aufgefallen, dass der Fokus der Aufmerksamkeit mancher Eltern mehr auf dem Handy als auf dem Kind liegt. Beim gemeinsamen Spaziergang, ob mit Kind im Kinderwagen, nebenherlaufend oder auf dem Laufrad, beim Spielplatzbesuch, in der Eisdiele, beim Kinderarzt. All dies wären schöne Gelegenheiten, mit unseren Kindern ins Gespräch zu kommen. Über die Natur, über Erlebnisse vom Tag, über die coole neue Rutsche auf dem Spielplatz oder wie hoch die Schaukel fliegt, welche Sorte Eis am leckersten schmeckt und was der Arzt alles untersucht und warum. Gespräche ermöglichen ein besseres gegenseitiges Kennenlernen und vertiefen die Beziehung. Sie schaffen also echte Bindung.
Physisch anwesend, aber nicht wirklich präsent
Auch mir ist das früher immer mal wieder passiert. Während ich Spielzeugautos wie von meinem Sohn gewünscht auf einer extra dafür gebauten Straßenlandschaft platzierte oder mit ihm Fußball spielte, drifteten meine Gedanken immer wieder ab, beispielsweise zu Dingen, die noch zu erledigen sind. Mein Sohn hat das ziemlich schnell durchschaut und sich entsprechend beschwert: „Du bist gar nicht richtig da.“, „Du hörst mir gar nicht zu, das blaue Auto muss da rüber, das habe ich dir doch gesagt.“ „Du hast eigentlich gar keine Lust auf das Spiel.“. Uff, das hat gesessen. Natürlich war mir wichtig, Zeit mit ihm zu verbringen, aber eine 100% Präsenz konnte ich zumindest für diesen Moment nicht bieten.
Gemeinsam „Deals“ aushandeln
Ich habe für mich und letztlich für uns beide dann einen guten Weg gefunden. Wenn ich von der Arbeit nachhause kam, habe ich mir erstmal eine kurze Pause gegönnt. Ich habe einen Kaffee getrunken und mir all die Dinge aufgeschrieben, die mir noch im Kopf herumkreisten. Danach war ich bereit, eine vorher abgesprochene Zeit lang mit meinem Sohn zu spielen, ohne gedanklich abwesend zu sein. Im Anschluss haben wir entweder zusammen anstehende Dinge im Haushalt wie Einkaufen, Geschirrspüler ausräumen, Müll rausbringen, erledigt oder er hat allein weitergespielt. Er hat schnell gelernt, dass er mehr Zeit mit mir gemeinsam hat, wenn er mir bei den Haushaltserledigungen hilft. Anstehende Telefonate habe ich unterwegs, in der Mittagspause oder am Abend erledigt. Und auch mal einem Anrufer gesagt, dass es gerade nicht passt, weil ich mit meinem Sohn spiele. Am Ende waren wir beide zufriedener. Manchmal ist es außerordentlich wichtig, Prioritäten zu setzen. Es gibt – insbesondere in der Entwicklung von Kindern – einfach Zeiten, die kehren nicht zurück. In der Pubertät will mein Sohn nicht mehr mit mir „Auto spielen“ 🙂 .
Achtsamkeit im turbulenten Familienalltag
Mir ist bewusst, dass der Alltag bei den meisten Eltern, insbesondere bei den meisten Müttern, mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie weiteren anstehenden Verpflichtungen mehr als gut gefüllt ist. Es kommt auch nicht auf die Menge an Zeit an, die wir mit unseren Kindern verbringen. Qualität geht immer vor Quantität.
Achtsam und präsent sein funktioniert auch nicht immer gleich gut. Wichtig ist, dass wir als Eltern
- unsere eigenen Bedürfnisse wahrnehmen (z.B., dass wir mal eine Pause brauchen)
- diese Bedürfnisse kommunizieren (sowohl unseren Kindern als auch unserem Partner gegenüber)
- und sie erfüllen und uns hierfür nötigenfalls Unterstützung suchen (sei es praktischer Art, z.B. Babysitter oder Haushaltshilfe oder psychologischer Art, z.B., weil wir gerade in einer Krise stecken).
Nur wenn wir auf unsere eigenen Ressourcen achten, können wir gut auf die Bedürfnisse unserer Kinder eingehen und ihnen etwas wirklich Wertvolles schenken: Zeit und ungeteilte Aufmerksamkeit.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen Tag voller achtsamer und präsenter Momente im Umgang mit Ihren Lieben.
Sollten Sie professionelle Unterstützung benötigen, weil Ihnen die Anforderungen des Familienalltags gerade über den Kopf zu wachsen drohen, zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren. Gern begleite ich Sie auf Ihrem Weg.