Laut veröffentlichten Reporten der Krankenkassen leben ungefähr 5% der Kinder in Deutschland mit der Diagnose AD(H)S: Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (mit Hyperaktivität). Jungs sind viermal so häufig betroffen, wie Mädchen. Doch was heißt das genau für die Kinder und deren Eltern? Welche Auswirkungen hat diese Erkrankung auf das Familienleben? Und wie können Eltern ihre Kinder bestmöglich unterstützen?
In diesem Blogbeitrag geht es zunächst einmal um Grundsätzliches zur Diagnostik von AD(H)S.
Diagnosekriterien für AD(H)S
Die drei Kernsymptome sind eine ausgeprägte Unbeständigkeit an Aufmerksamkeit und Konzentration, eine hohe Impulsivität und ggf. eine gesteigerte motorische Unruhe, also Hyperaktivität. Woran erkennt man diese Symptome konkret im Alltag? Bereits im Vor-/Grundschulalter sind die betroffenen Kinder leicht ablenkbar. Sie haben Schwierigkeiten, Anweisungen zu befolgen. Außerdem zeigen sie wenig Ausdauer, sodass Spiele meist nicht zu Ende gespielt werden. Es treten Verhaltensprobleme bei Gemeinschaftsaufgaben auf, das heißt, die Kinder können sich schwer unterordnen oder abwarten, bis sie an der Reihe sind. In der Schule werden neben häufigem Dazwischenreden weitere Lern- und Verhaltensprobleme beobachtet (z.B. Träumerei, zahlreiche Flüchtigkeitsfehler). Die Hyperaktivität zeigt sich darin, dass es betroffenen Kindern schwerfällt, ruhig sitzen zu bleiben, beispielsweise am Esstisch, im Wartezimmer des Arztes oder im Morgenkreis im Kindergarten bzw. Grundschule. Sie rennen häufig umher und fallen beim Spielen mit anderen Kindern durch übermäßige Lautstärke auf. Zuhause wird im Grundschulalter besonders die Hausaufgabensituation als belastend erlebt.
All diese Auffälligkeiten müssen immer im Verhältnis zum kognitiven Leistungsniveau und dem Alter des Kindes übermäßig stark ausgeprägt sein. Relevant für die Diagnose ist ein Auftreten der beschriebenen Symptome vor dem sechsten Lebensjahr und in mindestens zwei Lebensbereichen (z.B. zu Hause und in der Schule).
Diagnosestellung
Ganz wichtig: Die Diagnose selbst darf frühestens ab einem Kindesalter von 6 Jahren gestellt werden. Sie darf ausschließlich durch einen erfahrenen Kinder- und Jugendpsychiater oder einen Kinder- und Jugendarzt, der sich auf die Diagnostik und Behandlung von ADHS spezialisiert hat, erfolgen. Vor der Diagnosestellung sind umfangreiche Untersuchungen, Tests und Befragungen nötig. Diese sollten sich über mehrere Termine und einen Untersuchungszeitraum von mindestens drei Monaten erstrecken. In München gibt es hierfür Spezialambulanzen, z.B. die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München oder die Klinik für Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie am kbo-Isar-Amper-Klinikum Haar. Weder Hausärzte noch Erzieher:innen/Lehrer:innen oder Mitarbeitende in Erziehungsberatungsstellen sind für eine Diagnosestellung hinreichend qualifiziert!
Ein abschließender Hinweis zur Diagnosestellung: Eine kanadische Studie mit knapp 1 Millionen Kinder von 6-12 Jahren, deren gesundheitlicher Werdegang über 11 Jahre begleitet wurde, belegt, dass bei früheingeschulten Kindern häufig fälschlicherweise die Diagnose AD(H)S gestellt wird. Es ist nämlich durchaus als normal anzusehen, dass jüngere Kinder etwas unreifer und unkonzentrierter bzw. leichter ablenkbar sind.
— Fortsetzung im nächsten Blogbeitrag (13.10.23):Ursachen, Behandlungsmethoden und Tipps für Eltern
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